Neue Spuren
  Wie der Glaube neue Spuren weist
 

Wie der Glaube Neue Spuren weist

 
„Oh du studierst Theologie?“, „Und was wird man damit?“, „Willst du etwa Priester werden?“. Diese Fragen habe ich nur allzu oft während meines Studiums gehört und ich muss sagen, dass ich noch bis nach dem Bachelorabschluss keine Antwort darauf geben konnte. Sich als junger Mensch mit christlichen Glaubensaussagen akademisch auseinanderzusetzen, scheint beim Gegenüber für viel Verwirrung zu sorgen. Teilweise glaubten die Menschen mir erst, nachdem sie meinen Studierendenausweis gesehen haben, dass ich tatsächlich Theologie studiere.
In unserem westlichen Kulturkreis mag dies heutzutage verwundern. Welchen Grund könnte es geben sich mit veralteten doktrinären Ansichten aus vergangen Zeiten auseinanderzusetzen? Doch kann der Glaube einen Sinn in das Leben eines Menschen geben, der sich vor eine für ihn anscheinend sinnlos gewordene Welt gestellt sieht. In eine Welt, die verstärkt um ihre eigene Identität und ihren Sinn ringt. Welche Werte dürfen und vielleicht sogar müssen eine allgemeine Gültigkeit haben, um ein würdevolles Miteinander zu ermöglichen und welche Werte sind relativ und eventuell wertlos? Diese Fragen gilt es für sich in der Auseinandersetzung mit anderen zu klären. Die ersten Christen kamen basierend auf der Lehre Jesu zu der Ansicht, dass jegliches Leben von dem Grundsatz, Gott und seine Mitmenschen zu lieben, gekennzeichnet sein soll. Der Grundsatz seine Mitmenschen zu lieben ist vielleicht noch verständlich gemäß der goldenen Regel „ Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu“. Doch wozu Gott? Wenn von der Existenz eines Gottes ausgegangen wird, dann hat dieser doch bestimmt nicht nötig geliebt zu werden. Gott wird hier als Sinngeber definiert, der über das menschliche Miteinander hinaus dem Menschen in seiner Individualität, in seinen persönlichen Ängsten und Nöten sowie seinem Versagen gegenübersteht. Die Aufforderung Gott zu lieben basiert auf der Annahme, dass dieser den Menschen in seiner Existenz, die sowohl den gelingenden als auch den nicht gelingenden liebevollen Umgang mit seiner Umwelt beinhaltet, annimmt. Gott ermöglicht erst die Befähigung, einander in Liebe zu begegnen, indem ein Ort geboten wird, an dem der Mensch auch in seinem Versagen angenommen ist.
In einer Welt, die Leistungsoptimierung fordert und wenig Raum für Fehltritte bietet, kann diese vermeintlich veraltete christliche Botschaft neue Spuren weisen. Menschen dürfen in ihrem Glauben an Gott erfahren, dass Sie so angenommen sind, wie sie sind. Wer dies für sich annimmt, ist frei und in der Lage sich selbst zu akzeptieren und somit befähigt seinen Mitmenschen und sich selbst in Liebe gegenüber zu treten. Dies durfte ich persönlich erfahren.
Ziel ambulanter Betreuung ist die Wiederherstellung und Stärkung der Selbstbestimmung und Selbstständigkeit in Not geratener Menschen. Der Glaube kann zur Zielerreichung eine verstärkende Wirkung bringen, indem er im Umgang mit persönlichen Rückschlägen Halt bietet und zur Veränderung ermächtigt. Ambulante Betreuung basiert auf einem akzeptierenden und wertschätzenden Umgang mit den Menschen gemäß der christlichen Aufforderung, einander in Liebe zu begegnen. Die Soziale Arbeit war daher für mich der Weg des weiteren Studiums und Tätigkeitsfeldes. In ihr werden Menschen auf ihren Lebenswegen unterstützt und begleitet und ihnen mögliche neue Spuren aufgezeigt.

Tim Breddermann (Mitarbeiter bei Neue Spuren)