Neue Spuren
  Leben teilen mit bolivianischen Indianern
 

Leben teilen mit bolivianischen Indianern

(Mitarbeiterin von Neue Spuren e.V. berichtet aus ihrer Zeit in Südamerika)

 

Raus aus dem normalen Arbeitsalltag in Deutschland - eintauchen in eine mir bisweilen noch völlig fremde Kultur, Sprache und Menschen. In diese Herausforderung stellte ich mich im Jahre 2008 bis 2009. Es liegt schon eine Weile zurück, die Zeit ist verflogen und doch ist dieses Jahr noch immer völlig präsent in meinem Kopf und vor allem in meinem Herzen.

Mit diesem Bericht möchte ich Sie gerne mit hinein nehmen in eine spannende, abenteuerreiche aber auch anstrengende Zeit in Südamerika (Bolivien) und erhoffe mir, Ihr leserliches Interesse dabei zu wecken.

Im September 2008 ging es endlich los. Die intensiven Vorbereitungen und das lange Warten hatte ein Ende! Nun stand erst einmal eine lange Flugreise an, gemischt mit einem mulmigen Gefühl im Bauch. Wie wird das wohl alles werden? Bin ich den neuen Herausforderungen wirklich gewachsen oder habe ich mir zu viel zugemutet? Diese und andere Fragen stelle ich mir, während ich auf dem Weg zum Frankfurter Flughafen bin, mich dort von meiner Familie und meinen engsten Freunden tränenreich verabschiede und mit dem Flugzeug abhebe in Richtung Sao Paulo (Brasilien). Hier sollte erst einmal eine Zwischenlandung stattfinden, bis es dann weiter nach Cochabamba (Bolivien) geht, wo ich mich erst einmal die nächsten Wochen aufhalten werde. Cochabamba ist mit über 900.000 Einwohnern die viertgrößte Stadt Boliviens und liegt in einem Hochtal auf Rund 2.500 Meter Höhe.

Diese sieben Wochen verbrachte ich täglich mehrere Stunden in der Sprachschule Cochabambas, um Spanisch zu lernen. Mein Ehrgeiz half mir dabei sehr und so fühlte ich mich nach dieser Zeit „fit“ genug um zu meinem eigentlichen neuen zu Hause gebracht und um meiner neuen Aufgabe als Lehrerin von ethnischen Randgruppen gerecht zu werden. 

So machte ich mich nun nach den ersten Wochen auf lateinamerikanischem Boden mit einer kleinen Militärmaschine auf nach Norden in die Spitze Boliviens. Riberalta („Hohes Ufer“), eine Stadt am Rande des Urwaldes im Grenzgebiet zu Brasilien, wird nun für die nächsten Monate meine Heimat. Der Flug vom Süden in den Norden, vom Hoch- ins Tiefland hat auch einen massiven Klimawechsel bedeutet. Riberalta liegt im Amazonasbecken und hat ein Klima „wie in der Sauna“. Auch die Lebensumstände sind anders als in Cochabamba, ländlich und von großer Armut geprägt. Im warmen Klima gedeihen viele Keime und andere unangenehme Kleinstlebewesen. Das verursachte leider, dass ich fast das ganze Jahr über „magentechnisch“ krank und dadurch oft sehr schlapp war, mich jedoch aber nicht davon unterkriegen ließ.

 

Das Dorf oder heute schon eine Kleinstadt in der ich zusammen mit sechs Missionarsfamilien aus Deutschland und der Schweiz auf einem Gelände lebte, bestanden aus einfachen Holzhütten. Neben der dortigen Bibelschule für die ethnischen Gruppen, gibt es eine Krankenstation und eine Gesamtschule für die Missionarskinder. 1975 kaufte die Schweizer Indianer Mission (SIM) das Land und baute es als überregionales Zentrum aus. „Mit Südamerikanern das Evangelium leben“ ist das Anliegen der Missionsgesellschaft, die sich heute Indicamino (abgeleitet von „Wegweiser“) nennt und die ich mit meinem Jahreseinsatz unterstützen wollte. Theologische Ausbildung und sozial-diakonisches Handeln gehen Hand in Hand. Indianer aus ganz Nordbolivien kommen hierher, um medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen oder sich theologisch ausbilden zu lassen, immer mit dem Ziel, das Evangelium, die Gute Nachricht von Jesus Christus in ihrem Heimatdorf weiterzugeben. Die Aktivitäten der Missionare sind nicht auf das Zentrum beschränkt. Besuche im Urwald bei abgelegenen Indianerstämmen gehören dazu. Dort leisten die Missionare medizinische Erstversorgung und versuchen Hilfe zum Eigenstudium der Bibel zu geben. Bei den Besuchen im Urwald konnte ich mit dabei sein und in einer kleinen Dorfkirche das Kinderprogramme gestalten, welches mir besonders viel Spaß bereitete. 

Meine Hauptaufgabe bestand jedoch darin, dass die Frauen lernten einfache Sätze schreiben und auch lesen zu können, sowie mathematisch unterstützt zu werden, um bei ihrem Paranusshandel nicht „über den Tisch“ gezogen zu werden. Darüber hinaus kam es zu seelsorgerlichen Gesprächen, die mir wieder neu aufzeigten, in welch prekären Lebensumständen die Menschen sich dort befinden. Auch die Kinder sollten nicht zu kurz kommen und erhielten von mir hygienische Schulungen zum Thema Zahn- und Körperpflege, Durchfallerkrankungen und mögliche Maßnahmen etc. Diese Tätigkeitsfelder brachten eine große Herausforderung mit sich, denn besonders die fünf jungen Indianerfrauen, im Alter zwischen 16 und 28, schauten mich die erste Zeit im Alphabetisationskurs weder an, noch sprachen sie mit mir vor lauter Scham. Weiße Menschen werden in der Kultur der Bolivianer als sehr hoch angesehen. Wir sind die reichen und intelligenten Menschen und sie selbst sehen sich im Verhältnis als sehr klein und nichts bedeutend. Viele frustrierende Erlebnisse hielten mich jedoch nicht davon ab, weiter an den Frauen dran zu bleiben, um ein vertrauensvolles Verhältnis aufbauen zu können. Nach vielen Erzählungen meinerseits und dem klar machen, ich sei nicht perfekt und besonders sprachlich immer wieder auf ihre Hilfe angewiesen, konnte nach einiger Zeit das Eis zwischen uns langsam gebrochen werden. Doch es brauchte seine Zeit und verlangte viel Geduld und Verständnis meinerseits. Umso schöner  war es aber am Ende zu sehen, was für ein tolles Vertrauensverhältnis gewachsen ist.

 

Als mein Rückflug nach Deutschland näher rückte und ich auf die vergangenen Monate zurück blickte, füllte sich mein Herz mit Dankbarkeit. Wie man meinem Bericht vielleicht entnehmen konnte, standen immer wieder einige Herausforderungen vor mir, die ich zu bewältigen hatte. Seien es die gesundheitlich angeschlagenen Zeiten, die doch immer wiederkehrenden sprachlichen Defizite oder Kulturunterschiede gewesen, die Herausforderungen im Umgang mit dem Klima und vieles mehr, dass alles konnte mich jedoch in dieser Zeit nicht trüben. Ich bin überaus dankbar, dass ich dieses Jahr im ärmsten Land Südamerikas verbringen und über den eigenen „Tellerrand“ hinaus schauen und dadurch meinen persönlichen Horizont erweitern und meine Sicht auf viele Dinge, die hier in Europa laufen, verändern konnte. 

Eines nehme ich ganz besonders aus dieser Zeit mit. Die Menschen dort in Bolivien konnten noch so unterschiedlich sein (sprachlich, kulturell, anderes Aussehen...), doch hatten wir alle etwas zentrales in unserem Leben gemeinsam und das war der Glaube an den lebendigen Jesus Christus. Er ist der Mittelpunkt in unserem Leben und wir konnten erleben, wie er uns zusammengehalten und -geschweißt hat, trotz aller Unterschiedlichkeit und das hat mich fasziniert und zugleich sehr glücklich gemacht. Der Glaube hat den Menschen in ihrer Situation einen unglaublichen Halt gegeben und auch mir hat er besonders in schweren, einsamen Zeiten Trost und Nähe gespendet. Dies konnte ich nicht nur in Bolivien, sondern kann ich auch hier in Deutschland weiter erleben. Egal wo ich bin ich weiß das Gottes Zusagen wahr sind und so auch diese: „...Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir...“ Diese Aussage aus der Bibel, Psalm 139, hilft mir, wenn Stürme des Lebens aufkreuzen und das wünsche ich mir auch für Sie, dass Sie sich auf den Glauben, auf Jesus Christus in einer lebendige Beziehung, einlassen können. Er möchte ihr Wegbegleiter, ihr Tröster, Helfer und Beistand sein, ganz gleich in welch einer Situation Sie sich befinden und wie Sie sich fühlen. Er nimmt Sie so an, wie Sie sind und geht mit Ihnen durchs Leben! Wenn das nicht eine Hilfe ist...

 

Franziska Schade