Neue Spuren
  "Um Himmels willen"
 
"Um Himmels willen"

„Him­mel“ ist schein­bar nichts für Men­schen, die das Le­ben lie­ben und die mit bei­den Bei­nen im Le­ben ste­hen. Was wir mit „Him­mel“ um­schrei­ben, ist weitgehend von un­se­rem Le­ben aus­ge­schlos­sen. „Himmel“ ist von uns weit weg, un­er­reich­bar und - deswegen zu ver­ges­sen.

 

Trotzdem würde ich manchmal gerne zum Him­mel fah­ren – näm­lich, wenn mir un­se­re Welt, wie sie ist, zu un­sym­pa­thisch, zu schwie­rig wird.

Die Apostel­ge­schich­te des Lukas erzählt uns von der Him­mel­fahrt Christi. Und da heißt es am Schluss, dass die Jün­ger gebannt Je­sus hinterher zum Him­mel hi­nauf­schau­ten, bis zwei En­gel er­schie­nen und ih­nen sag­ten: "Ihr Män­ner von Ga­li­läa, was steht ihr da und schaut zum Him­mel?" Und sie wie­sen die Jün­ger auf das hin, was ih­nen Je­sus ge­sagt und auf­ge­tra­gen hat­te.

 
Manch­mal, wenn ich mich am liebs­ten aus der Welt zurückzie­hen wür­de, kann es vor­kom­men, dass ich ge­bannt auf et­was schaue: z.B. da­rauf, dass al­les an­ders wäre, wenn ich mich mit dem Lot­to­ge­winn zur Ruhe set­zen könn­te; dass al­les an­ders wäre, wenn der oder die in mei­ner Fa­mi­lie end­lich ein­se­hen wür­de, dass...; oder ich tauche wie ge­bannt ein in eine Oper Verdis oder in mei­ne ver­schie­de­nen Tä­tig­kei­ten. Jeder hat seine eigene Stra­te­gi­en, sich der Welt und dem Le­ben zu ent­zie­hen, weil uns eine un­be­stimm­te Angst umtreibt und wir dem Le­ben nicht mehr so recht trau­en.

 

 
 

 

 

Der Satz aus der Apostel­ge­schich­te fordert mich heraus: Weshalb ste­he ich nur da und starre in den Him­mel? Warum las­se ich mei­ne Hoff­nun­gen und Seh­nsüch­te, mei­ne Kraft und mei­ne Er­fah­run­gen aus­wan­dern aus mei­nem kon­kre­ten Le­ben, aus der Welt, in die ich hineinge­stellt bin? Weshalb ent­zie­he ich mich dem An­spruch und den Ge­schen­ken des Le­bens? Von den Jün­gern Jesu wird erzählt, dass sie in ihren Alltag mit gro­ßer Freu­de zu­rück­kehr­ten und Gott lob­ten. Viel­leicht ha­ben sie ver­standen, dass das, was sie mit Je­sus er­lebt ha­ben, kein Zu­fall war, kei­ne Lau­ne der Welt­ge­schich­te, son­dern die end­gül­ti­ge Ant­wort Got­tes auf ihre Hoff­nun­gen. Viel­leicht ha­ben sie verstanden, dass in die­ser Ant­wort Got­tes Hoff­nung für die gan­ze Welt liegt, nämlich die Ein­la­dung sich neu aus­zu­rich­ten auf die­sen Gott hin und so frei zu wer­den. Frei zu werden von dem In-sich-selbst-verkrümmt-sein, frei zu werden von der Verstrickung in al­te un­heil ge­wor­de­ne Mus­ter, in Angst und Miss­trau­en. Vielleicht haben sie verstanden, dass Chris­ti Him­mel­fahrt kei­ne Ein­la­dung zur Welt­flucht be­deu­tet, son­dern die Ver­lo­ckung zu ei­ner neu­en, ver­tau­ens­vol­len und lust­vol­len Hin­wen­dung zur Welt und zum kon­kre­ten ei­ge­nen Le­ben unter dem Versprechen: „Siehe, ich bin bei euch, alle Tage, bis an der Welt Ende.“

 


Burkhardt Stevens

 
 

 


Pastor Evangelisch-Lutherische Emmaus - Kirchengemeinde Kiel